Ein Plädoyer für Crowdfunding bei lokalen Projekten
Geld geben ohne Gewinnabsicht: Bisher funktionierte das vor allem bei emotionalen Herzensangelegenheiten. Typisches Beispiel ist die klassische Spende. Doch angesichts der Herausforderungen unserer Zeit sollten wir diesen Ansatz neu denken.
Während des Studiums in Bamberg habe ich in der Molitorgasse gewohnt. Herr Molitor, so erläuterte es die Umschreibung auf dem Straßenschild, war anno dazumal ein „Verdienter Bamberger Bürger und Mühlherr“ gewesen.
Wie wird man – heutzutage – ein verdienter Bürger in einer Gemeinde?
Indem man diese Gemeinde mitgestaltet.
Man kann dabei unternehmerisch tätig werden und so Wohlstand generieren. Man kann stattdessen oder darüber hinaus Zeit und Engagement im Ehrenamt einbringen.
Und in einer Zeit des galoppierenden Wandels wie heutzutage kann man sich verdient machen, wenn man die Anpassung der Welt vor seiner Haustür an die großen Veränderungen mitermöglicht – freiwillig mit seinem Geld.
Normatives Kapital
Dabei habe ich nicht nur die großen Förderer im Kopf wie Reinhold Würth in Künzelsau und Dieter Schwarz in Heilbronn. Denn dieser Typus ist bei weitem nicht in jeder Kommune vorfindbar. Umso wichtiger ist, dass jeder Mensch die Möglichkeit bekommt, an der Ertüchtigung seiner Heimat für die Zukunft mitzuwirken. Der Dank ist dann die Anerkennung und dauerhafte Würdigung dieses Verdientes. Der Mensch häuft normatives Kapital an.
Denn aktuell verändert sich nicht nur unser ganzes Leben schneller als je zuvor, was Transformationen wie die Dekarbonisierung in den Kommunen nötig macht. Auch die Verwurzelung mit dem eigenen Wohnort ist bei vielen gekappt. Heimat ist dann wahlweise der Geburtsort oder der durch Arbeit, Beziehung oder Sonstiges gewürfelte aktuelle Wohnsitz. Nichts davon ist aber die lokale Heimat im eigentlichen Sinne, bei der über Generationen Verbundenheit zwischen dem Ort und dem dort lebenden Menschen entsteht.
Freiwilliges finanzielles Engagement an wohnortnahen Projekten bietet in dieser Hinsicht einen Shortcut. Sie ermöglicht es, in einem kurzen Zeitraum einen positiven Fußabdruck in seiner Gemeinde zu hinterlassen und jene Verbundenheit zwischen Mensch und Ort herzustellen, die heutzutage immer seltener geworden ist. Eine Verbundenheit, die als Verdienst sogar über den Tod hinaus weiterbestehen und von anderen gewürdigt werden kann.
Diese Option, ich nenne sie lokales Crowdfunding, ist einen Versuch wert, auch wenn zunächst keine Millionen zusammenkommen werden. „Wer den Pfennig nicht ehrt, ist die Mark nicht wert“, hieß es in der Zeit, bevor Begriffe wie „Bazooka“ und „Doppel-Wumms“ oder die Nvidia-Aktie das Gefühl für finanzielle Größenordnungen durcheinander brachten.
Es lohnt sich, mit kleinen Projekten vor Ort anzufangen und lokales Crowdfunding auszuprobieren.
Das spricht außerdem dafür
Darüber hinaus gibt es weitere Vorteile, die ich hier an einem hypothetischen, per Crowdfunding mitfinanzierten Erneuerbare-Energien-Projekt durchspiele:
Zunächst gibt nur, wer hat und will: Diejenigen, die es sich leisten können, gehen voran. Sie gestalten mit ihrem Geld die Zukunft dieses Landes mit, statt es zu verkonsumieren.
Wer redet, sollte auch handeln: Wer über Nachhaltigkeit redet, sollte selbst etwas Konkretes und Zählbares für sie tun. Das Naheliegendste wäre, entsprechende Projekte finanziell zu ermöglichen. So kann jeder, der pro Nachhaltigkeit argumentiert, zeigen, dass es ihm wirklich um die Sache geht.
Die Wertschöpfung bleibt in der Region: Durch die Förderung von kleinen, lokalen Projekten profitieren Firmen vor Ort. Gleichzeitig sieht man als Förderer jeden Tag, was mit dem Geld passiert ist. Es verschwindet nicht in einem riesigen Topf und fördert keine Dinge, die man vielleicht gar nicht will. Stattdessen sichert es die Zukunft vor der Haustür.
Resiliente Energieversorgung: Für diese Crowd-Finanzierung sind kleinere Projekte gut geeignet. Wenn viele kleine Projekte zur Energieversorgung beitragen, wird diese dezentraler und damit widerstandsfähiger gegenüber den Auswirkungen von Sabotage, Preisschocks etc. Resilienz schlägt Effizienz.
Respekt und (vielleicht auch) Rendite: Viele Wind- und Solarprojekte bieten echte Erträge. Aber auch eine ideelle Belohnung zählt: das Wissen, zur Lösung beigetragen zu haben. In der öffentlichen Wahrnehmung kann der Beitrag Renommee, Glaubwürdigkeit und Respekt einbringen und auch offen abgebildet werden. Die Namensgravur auf einer gestifteten Parkbank ist ein verbreitets Bild – geht das nicht auch bei etwas größeren Projekten?
Dialog und Miteinander: Wenn die „engagierte Seite“ auf dem Weg in eine CO2-freie Zukunft den ersten Schritt macht, wird es für Zweifler leichter, sich konstruktiv zu beteiligen. Und wenn nicht? Dann haben wir es wenigstens versucht.
Und nun?
Im Moment ist das noch weitestgehend Zukunftsmusik. Aber je mehr Projekte dieser Art gewagt werden, desto schneller sehen wir, ob es funktioniert.
Du kennst Zukunftsprojekte, die per Crowd finanziert werden? Ich freue mich über Tipps und Hinweise, schreib mir: idee@mammutloesungen.de.
